Die Gesellschaft zur Förderung des Wossidlo-Archivs unterstützte die Vorbereitungsarbeiten für das Projekt "WossiDiA - das digitale Wossidlo-Archiv" und trug zum Gelingen einer Reihe weiterer archivischer Projekte bei.
WossiDiA (Wossidlo Digital Archive) überführt den aus mehr als zwei Millionen handschriftlichen Aufzeichnungen, Belegen und umfänglichen Korrespondenzen bestehenden Nachlass des mecklenburgischen Volkskundlers Richard Wossidlo (1859-1939) in ein digitales Archiv. Der volkskundliche Privatgelehrte und Warener Gymnasialprofessor gilt als Begründer der Volkskunde Mecklenburgs und als einer der "Väter" der deutschsprachigen Volkskunde, zumal er die für das Fach zentrale Methode der Feldforschung fortentwickelte und beschrieb. Auch initiierte er in Mecklenburg das volkskundliche Museumswesen und schuf die mündliche Quellenbasis für das "Mecklenburgische Wörterbuch", das zu den großlandschaftlichen dialektalen Lexika zählt. Obwohl das Sammeln für die werdende Volkskunde typisch ist, zählt die Feldforschung des Privatgelehrten zu den Pioniertaten der Europäischen Ethnologie, zu einer Zeit, da die Theorieentwicklung der Disziplin noch in den Kinderschuhen steckte.
Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft/Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme (DFG/LIS) sowie dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) finanziert und am Institut für Volkskunde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Informatik der Universität Rostock durchgeführt.
Näheres siehe: www.wossidia.de
Ein wesentlicher Verdienst des Vereines besteht darin, dass er die Maßnahmen zur Vorbereitung der Digitalisierung und Langzeitsicherung der Sammlungen
Richard Wossidlos unterstützt hat. Neben dem Abgleich der Unterlagen in der von Wossidlo gewollten Reihenfolge sowie der Restaurierung und Paginierung der Zettelnotizen und Beiträgerkorrespondenz
wurden die Kategorienbezeichnungen Wossidlos in ein elektronisches Findbuch eingetragen.
Durch diese Vorarbeiten, die sich über mehrere Jahre hinzogen, wurde eine wesentliche Voraussetzung für die
Digitalisierung und Langzeitsicherung des Nachlasses von Richard Wossidlo erfüllt, bedenkt man, dass viele Digitalisierungsprojekte bereits an einer angemessenen Vorbereitung ihrer Unterlagen
gescheitert sind. Diese Grundvoraussetzung konnte nur mit Hilfe des Fördervereins und der Unterstützung durch den Zweiten Arbeitsmarkt gelöst werden.
Ebenso wurden vorbereitende Maßnahmen für die geplante Integration weiterer Sammlungen (Mecklenburgisches Flurnamenarchiv, Mecklenburgisches Volksliedarchiv, Bauernhausarchiv) in das WossiDiA-System mit Hilfe des Fördervereins geschaffen.
Besondere Verdienste erwarben sich hierbei das Vorstandsmitglied Waltraud Sahn, die zurzeit das Amt des Schatzmeisters bekleidet, sowie Dietrich Dube, der im
Grundungsvorstand als Schatzmeister wirkte.
In den fünf Jahrzehnten seiner Sammeltätigkeit hatte die Feldforschung Richard Wossidlos den maßgeblichen Anteil für die Breite und Tiefe seines volkskundlichen Sammelwerkes. Nicht zu vergessen ist die Hilfe seiner Mittelsmänner, den so genannten Beiträgern. Ausschlaggebend waren zunächst zahlreiche Fragebögen und Sammelaufrufe, die Wossidlo versandte oder in Zeitschriften abdrucken ließ. Durch seine Bildungsarbeit, seine Vorträge im Hörfunk und Theateraufführungen gelangte er zu Popularität und Aufmerksamkeit. Hauptsächlich Lehrer und Pastoren, aber auch viele Personen unterer Schichten, Handwerker, Fischer und Tagelöhner, sandten Wossidlo die ihnen bekannten bzw. von ihnen gesammelten Sagen, Erzählungen, Bräuche, Spiele, Reime, Rätsel usw. zu. In den Bänden der „Mecklenburgischen Volksüberlieferungen“ sind die Beiträger in „Orts- und Mitarbeiterverzeichnissen“ aufgelistet.
Fruchtbar waren vor allem jene Beiträger, die über Jahrzehnte hinweg die Volkskultur ihres Umfeldes erfassten. So sandte z.B. Ida Alm-Staben, eine Schiffersfrau aus Dierhagen, im Zeitraum von 1892 bis 1934 zahlreiche Beiträge zur Volkskultur des Fischlandes zu.
Viele Beiträger waren aktive Träger der Heimatbewegung, das heißt in leitenden kulturellen Funktionen tätig, wie z.B.:
Außerdem bezog Richard Wossidlo Informationen aus dem eigenen Verwandtenkreis. Ein Beispiel hierfür ist der Briefwechsel mit Karl-Martin Krempien (1900-1991), dem Enkel von Wossidlos Onkel Hermann Burmeister.
Jeder der Beiträger notierte auf eigene Weise, jeder von ihnen trug eine eigene Handschrift. Insgesamt wird daher ein Thema aus vielen unterschiedlichen Sichtweisen beleuchtet.
Der Umfang der Korrespondenz beträgt mehr als 25.000 eng beschriebene Folio-Seiten. Wossidlo betonte immer wieder, dass die Beiträger für seinen Sammelerfolg ganz wesentlich seien. Daher investierte er viel Zeit, um den Briefwechsel mit ihnen am Leben zu halten. Wie groß der Sammelerfolg der Beiträger war, zeigt folgender Vergleich:
Wossidlos systematische Zettelsammlung würde nebeneinander ausgebreitet die Fläche von etwa zweieinhalb Fußballfeldern und die Beiträgerbriefe noch einmal zwei Fußballplätze beanspruchen. Das Schreibvolumen ist also annähernd gleich, d.h. Wossidlo und seine Informanten teilen sich in etwa die Niederschrift, allerdings im Verhältnis 1:1.400 Personen. Dabei ist die Informationsdichte bei Wossidlo höher, da er nur das Wesentliche bzw. Varianten notierte.
Die Briefe der Beiträger sind in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Nachnamen und in sich größtenteils chronologisch nach dem Einsendedatum geordnet. Wossidlo sah die Einsendungen jeweils durch und fertigte Hinweiszettel an, die er in seine 28.315 Kategorien umfassende systematische Zettelsammlung einordnete. Daher bilden die Korrespondenz und die Zettelsammlung eine Einheit.
Quelle: Schmitt, Christoph: Zum Beiträgerkreis Richard Wossidlos. In: Stier und Greif. Blätter zur Kultur- und Landesgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern
15 (2005), S. 78–81.
— Waltraud Sahn
AUGIAS“ ermöglicht die personen-, orts-, zeit- und schlagwortbezogene Suche durch Datenbestände, die allerdings eingegeben werden müssen. Hierfür muss natürlich jeder Brief zunächst gelesen und verstanden werden, woraufhin erst die Verschlagwortung erfolgen kann. Dieser Arbeitsschritt ist wegen der verschiedenen Handschriften (Wechsel von der deutschen zur lateinischen Schrift) sehr zeitraubend.
Die Signatur dieses Briefes setzt sich in diesem Falle aus K/I- und der l. Nummer (hier 1490) zusammen, also K/I-1490. Wenn Anlagen vorhanden sind, werden dieser Signatur zusätzlich der Buchstabe A- und die jeweilige Seitenzahl zugefügt. Die „v. Num.“ vergibt das Programm bei der Eingabe automatisch.
Im Verzeichnisprotokoll erscheint die von Wossidlo angegebene zeitliche Reihenfolge der ihm zugesandten Beiträge.
Für das 2. Halbjahr 2007 wurden Susan Lambrecht und Lutz Glawe im Rahmen eines Minijobs für das Projekt „Eingabe der Korrespondenz Richard Wossidlos mit Gelehrten“ eingestellt. Wossidlo korrespondierte mit zahlreichen Volkskundlern, Sprachwissenschaftlern, Museologen und Wissenschaftlern anderer Disziplinen, nicht nur der deutschsprachigen Regionen, sondern ebenso des Auslandes. Viele seiner Briefpartner erlangten Berühmtheit und waren in einflussreichen kulturellen Institutionen tätig.
Das Archivprojekt wird von der GWA, dem Bildungsministerium Mecklenburg-Vorpommern und der Universität Rostock kofinanziert. Die Briefe werden mit dem Archivprogramm „AUGIAS“ verschlagwortet, das über das Intranet der Universität Rostock einsehbar ist.
Seit einigen Jahren beschäftigen wir uns mit Themen aus Wossidlos Zettelsammlung: Märchen, Sagen, Erntebräuchen in Mecklenburg. Wir acht Mitglieder des Arbeitskreises der Seniorenakademie der Universität Rostock, besprechen CDs, um zu helfen, gesprochenes Plattdeutsch zu bewahren. Wir schrieben Märchen und Sagen aus den Beiträgen vieler Gewährsleute Wossidlos und übertrugen sie zum besseren Verständnis der heutigen Hörer und Leser ins Hochdeutsche. Die Beihefte zu den CDs enthalten neben den hochdeutschen Fassungen auch alle Quellen.
Unser aktuelles Projekt ist die sprecherische Fassung von Wossidlos Werk „Reise, Quartier, in Gottesnaam“. Wir verwenden die erste Auflage, die nach dem II. Weltkrieg erschien, weil sie größt-mögliche Authentizität gewährt. Das Seemannsleben auf den Segelschiffen des 19. Jahrhunderts ist der Gegenstand dieses Buches. Beim gemeinsamen Lesen entdecken wir, dass von der ach so beliebten Seemannsromantik nicht viel übrig bleibt und erfahren vom harten Leben der Matrosen. Dabei muss viel im Mecklenburgischen Wörterbuch Wossidlo/ Teuchert nachgeschlagen werden – die Fachbegriffe, aber auch bereits verlorene Ausdrücke und Redewendungen, die sich zum Teil aus anderen ausländischen Seemannssprachen rekrutieren.
Wir haben viel Freude beim Vorlesen. Die Beiträger und Gewährsleute Wossidlos sind Seeleute von der Küste Mecklenburgs, vom Fischland und vom Darß. Sie sprechen volkstümlich, oft deftig. Wir lesen in verteilten Rollen, um zu einem Sachverhalt verschiedene Meinungen unterschiedlicher Seeleute zu Wort kommen zu lassen.
Wiir werden die attraktivsten Stellen aus den Kapiteln auswählen und sie dann – gesprochen auf CD – der Öffentlichkeit vorstellen – wieder mit Beiheft.
Waghalsige Segler
Unerschöpflich ist die Zahl der Ausdrücke für Schiffer, die waghalsig segelten. Von so’n Sägler seggen wi: Dee is em nich blöd, dee knippt em, dee presst em ganz bös. – He sägelt los up Düwel haal, dee sägelt sinen stiben Staken weg, dee geiht dor up daal as de Buck uppe Hawerkist, dee geiht oewer Tuun un Hakelbarg, dee geiht dorgegen an as Stuutsch ehr Kater gegen den Nuurdoost.
Quelle: Reise, Quartier, in Gottesnaam
— Ingrid und Karl-Heinz Junghans